nachgefragt
Mehr Energieeffizienz für Sportanlagen
«Learning by doing» ist das Credo von Benjamin Bührer. Der gelernte Lüftungszeichner hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich Sportanlagen einen Namen als Energieexperte gemacht. Im Interview gibt er einen Einblick in sein Fachwissen.
Was bedeutet der Trend zu Multisportanlagen für den Energiehaushalt dieser Anlagen?
Da muss man zuerst unterscheiden: Es gibt Multisportanlagen, eine Ansammlung verschiedener Sporteinrichtungen, und multifunktionale Sporthallen, die z. B. Eishallen umfassen, die auch intensiv für andere Zwecke genutzt werden. So wie das Zürcher Hallenstadion oder das SAP-Garden im Münchner Olympiapark. Energiebezogen verbindet man oft Hallen- und Freibäder mit Eissportanlagen, etwa wegen der Abwärmenutzung. Doch moderne, richtig geplante Eissportanlagen sind energieeffizient und erzeugen kaum nicht nutzbare Abwärme. Der wahre Vorteil liegt in Synergien bei Technik, Infrastruktur, Personal und Verwaltung.
Was ist typisch für die Energiekreisläufe solcher Anlagen?
Entscheidend ist das Zusammenlegen verschiedener Anlagen. So kann eine Anlage für die Produktion von Eis auch Entfeuchtungskälte oder Klimakälte produzieren. Abwärme kann dabei auf verschiedenen Temperaturniveaus erzeugt werden – der Bedarf dafür ist bei solchen Sportanlagen häufig anders als bei herkömmlichen Bauten. Bei Sportanlagen sollte die Energienutzung spezifisch abgestimmt sein. So benötigen Anlagen Wärme auf unterschiedlichen Temperaturniveaus: 80°C für Entfeuchtung, 65°C für Duschen und Gastroküchen, 45°C für Badewasser, 32°C für Raumheizung und Lüftungsanlagen usw.
Effizienz entsteht, wenn jede Temperatur gezielt erzeugt wird, statt alles auf einem hohen Niveau bereitzustellen und es dann nach Bedarf herunterzumischen.
Vor zwei Jahren war die Energie knapp, auch Sportanlagen wurden zum Energiesparen angehalten. Wurden daraus Rückschlüsse gezogen oder Verbesserungen eingeleitet?
Technisch gab es wenig Neues, da viele Lösungsansätze längst bekannt sind. Darum hat bei mir persönlich die Energiemangellage kein Umdenken ausgelöst. Bei den Betreibern ist das etwas anders – sie sind nun viel sensibilisierter für Strompreisrisiken. Zudem ist sicher auch die Dekarbonisierung in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Da geschieht einiges, um bei Sportanlagen auf Öl und Gas zu verzichten. Aber das ist alles andere als einfach – besonders wenn kein Grund-, Fluss- oder Seewasser zur Verfügung steht. Ich kenne allerdings auch genug Sportanlagen, bei denen der politische Prozess respektive die Politik selbst im Vordergrund steht. Da es aktuell genug Energie gibt, sichert sich kein Politiker mit einer energetischen Sanierung seine Wiederwahl. Es braucht also immer politische und/oder finanzielle Anreize.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Energiebetrieb?
Sie unterstützt enorm. Monitoring und intelligente Regelsysteme optimieren den Betrieb. Wichtig ist, dass Planer von Anfang an die digitalen Möglichkeiten einbeziehen und Betreiber deren Kosten-Nutzen-Verhältnis verstehen.
Wie sinnvoll sind Energielabels?
Labels können sinnvoll sein – oder auch nicht. Beispielsweise das Schweizer Minergie-Label für Kunsteisbahnen. Dieses hat nach der erfolgreichen Einführung 2009 vor drei Jahren eine absolut unbefriedigende Überarbeitung erfahren. Beispielhaft finde ich darum das Vorgehen beim Sport- und Schwimmzentrum Oerlikon, wo mit einem auf das Projekt angepassten Anforderungskatalog gearbeitet wird. Fairerweise muss bei Kunsteisbahnen festgehalten werden, dass es sich um Nischenanlagen handelt, die von der Energiegesetzgebung nicht erfasst sind. Umso wichtiger wäre in diesem Bereich ein taugliches Label.
Warum gibt es so wenige Fachspezialisten für Energiethemen rund um Sportanlagen?
Weil es meines Erachtens nicht Spezialisten, sondern Generalisten braucht. Als solchen sehe ich mich persönlich – ausgestattet mit einem breiten Wissen und interdisziplinären Interessen. Bei mir gehören dazu Themen wie Architektur, Statik und Projektentwicklung, aber auch politische und gesellschaftliche Prozesse. Das sichert für vieles ein notwendiges Grundverständnis. Wichtig ist auch die Bereitschaft, sich in einem Projekt zu exponieren – beispielsweise zum Thema Ammoniak-Direktverdampfung. Auch wenn ich mir dabei nicht immer Freunde mache oder mir zusätzliche Arbeit generiere – am Schluss ist es immer im Sinne des Projekts. Es liegt nicht in meiner Natur, mit weniger Aufwand und Engagement zu einem schlechteren Ergebnis zu kommen. Um über mehr Generalisten zu verfügen, benötigt es meines Erachtens mehr Ausbildung in der Breite. Wissenstransfer durch Schulungen oder praxisnahe Kurse könnten dabei helfen.
Zur Person
Benjamin Bührer ist ursprünglich gelernter Lüftungszeichner. Nach einem Abstecher in die Solarforschung engagierte er sich bei einem Unternehmen im Bereich Wärmepumpen. 1979 folgte der Schritt in die Selbständigkeit. Dabei hat der bekennende Autodidakt selber Heizungsanlagen und eigene Wärmepumpen gebaut, sich aber dann auf den Bereich Planung fokussiert. Der Neubau der Eishalle Bäretswil bildetet vor über 33 Jahren den Startschuss für seine Karriere im Bereich Planung von Kunsteisbahnen und Sportanlagen.