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Die Unfallversicherung im Sport auf dünnem Eis

Die Unfallversicherung im Sport auf dünnem Eis

Beim Thema der obligatorischen Unfallversicherung haben viele der19’000 Schweizer Sportvereinen ein Problem bekommen. Lange war den meisten Vereinen wie auch vielen Versicherungsanstalten die geltende, gesetzliche Regelung nicht oder nicht genug bewusst. Dies vor allem deshalb, weil die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) viele Sportunfälle als Nichtberufsunfall anerkannte und die Heilungskosten sowie die Taggelder bezahlte – obwohl dies Sache des Sportvereins beziehungsweise seines Unfallversicherers gewesen wäre. Die SUVA hat diese Praxis nun aus Spargründen geändert. Sportvereine, auch wenn sie nur kleine Entschädigungen an Mitarbeitende bezahlen, können bei Sportunfällen plötzlich mit hohen Schadensummen konfrontiert werden. Zwar gibt es immer noch verhältnismässig wenig Sportvereine, die überhaupt Entschädigungen bezahlen.

Die Situation ändert sich für die anstellenden Vereine selbst grundlegend, wenn eine eigene Anstellung von Mitarbeitenden vorliegt. Aktuell stellen nur rund 3% der Vereine vollamtliche Trainer/-innen und nicht mehr als 3’000 Vereine überhaupt führen professionelle Trainer/-innen und Funktionäre/-innen in ihren eigenen Reihen. Wobei hier berücksichtigt werden muss, dass viele Vereine ihre prof. Strukturen häufig in Stiftungen oder Aktiengesellschaften ausgelagert haben. Das Gesamtbild ist daher nicht einheitlich. Das Thema ist nicht nur für jene Vereine brisant, die Entschädigungen bezahlen, sondern auch jene, die das künftig tun werden. Das Ehrenamt wird täglich durch professionelle Arbeit an irgendeiner Stelle in irgendeinem Verein ersetzt, ganz einfach, weil kein Ersatz gefunden wird und die Arbeit trotzdem sichergestellt werden muss. Die Lohnsummen selber sind dabei im Moment selten hoch und können nicht mit anderen Branchen verglichen werden. Noch immer werden viele Arbeitsstunden auch bei professionellen Trainern/-innen ehrenamtlich gleistet (z. Bsp. in Trainingslagern, Wettkämpfen und auf Reisen). Überhaupt rechnen Studien vor, dass 73 Millionen Stunden ehrenamtlich alleine im Sport geleistet werden.

Wo liegt das Problem begraben?

In der Schweiz fehlen einheitliche Vorgaben und das Fachwissen (ähnlich wie beim Thema Mehrwertsteuer), wie im Sport Pauschalentschädigungen abzurechnen sind. Es zeigt sich aber auch, dass die Versicherungsbranche kein Interesse hat, Sportvereine zu versichern, oder sie verlangt exorbitant hohe Versicherungsprämien. Diese können für Sportvereine 50% der Lohnsumme oder noch mehr betragen, während sich Prämien für kaufmännische Angestellte im Promillebereich bewegen. Gründe für die horrenden Prämien sind in erster Linie die hohe Unfallwahrscheinlichkeit im Sport und damit auch hohes Unfall-Taggeld, weil nicht nur die Entschädigung des Sportvereins, sondern auch der Lohnausfall des Hauptarbeitgebers ersetzt werden muss. Dazu kommen hohe administrative Aufwände, die wiederum verrechnet werden.

Was wird getan?

Swiss Olympic sucht, in Absprache mit den nationalen Verbänden seit längerer Zeit nach einer Lösung. Der Dachverband führt dabei in’s Feld, dass die Arbeit der Vereine keinem Gewinnstreben unterliegt und die grosse Mehrheit der Vereine durch ehrenamtlich und freiwillige Arbeit getragen wird. Auch der Schweizerische Versicherungsverband prüfte neue Modelle, mit denen sowohl das Risiko für die Versicherer, als auch die Prämien für die Vereine minimiert werden könnten. 

Nun ist ein erster Befreiungsschlag in Sicht. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von SUVA, dem Schweizerischen Versicherungsverband, dem Bundesamt für Gesundheit und weiteren Vertretern aus dem Versicherungswesen sucht seit über einem Jahr gemeinsam nach einer Lösung. Laut Christof Kaufmann von Swiss Olympic verlaufen die Gespräche konstruktiv. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Sportvereine bei der Unfallversicherung von Ehrenamtlichen und Freiwilligen zu entlasten. Nach zähen Verhandlungen zeichnet sich nun ein Kompromiss ab, der mit einer Änderung der Verordnung über die Unfallversicherung umgesetzt werden müsste. Aktuell befindet sich ein Vorschlag der Arbeitsgruppe bei den involvierten Organisationen in Vernehmlassung. Wenn alle Entscheidungsgremien zustimmen, soll der gemeinsame Vorschlag im Frühling 2020 beim BAG eingereicht werden. Ab dem Datum der Einreichung dauert es erfahrungsgemäss ein bis zwei Jahre, bis eine angepasste Verordnung in Kraft treten kann. «Es geht also etwas», sagt Kaufmann, «auch wenn die politischen Mühlen bekanntlich oft eher langsam mahlen.»

27. November 2019