aufgeschnappt
Problemzonen im Frauenfussball
Am 20. Juli wird die Fussball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland angepfiffen. Die teilnehmenden Nationen sind bekannt, bei den Kaderplanungen dürften aber verletzungsbedingt noch drastische Anpassungen notwendig sein. Wir gehen auf Ursachensuche.
Was haben Alexis Putellas, Marie-Antoinette Katoto, Viviane Miedema und Beth Mead gemein? Richtig – sie sind Spitzen-Fussballerinnen. Leider ist das nicht das einzige verbindende Merkmal, denn alle wurden ausserdem auch Opfer eines Kreuzbandrisses und kämpfen derzeit um eine rechtzeitige Rückkehr ins WM-Kader ihrer Länder. Aktuelle Studien zeigen, dass das Risiko eines Kreuzbandrisses im Frauenfussball fünfmal höher ist als bei den männlichen Kollegen. Wie kann das sein?
Die Sache mit dem Schuhwerk
Nicht offensichtlich, aber trotzdem eine Tatsache: Frauen spielen noch immer in Männerschuhen. Als „Damenmodelle“ angepriesenes Fussballschuhwerk unterscheidet sich lediglich bezüglich der Farbgebung. Das ist geradezu unglaublich, wenn man bedenkt, dass sich Form und Volumen weiblicher und männlicher Füsse markant unterscheiden. Blasen sind dabei noch das geringste Problem; Überlastungsbrüche und Fussdeformationen sind wesentlich gravierender – denn suboptimale Fussstellungen steigern das Risiko für einen Kreuzbandriss enorm. Bei einem Heilungszeitraum von neun bis zwölf Monaten dürften daher einige der oben genannten Protagonistinnen eine rechtzeitige Rückkehr nicht schaffen. Da ist es auch ein schwacher Trost, dass die Industrie für Mitte dieses Jahres die Einführung von Fussballschuhen für die Frau in Aussicht stellt. Für die WM dürfte dies zu spät sein.
Die Anatomie macht’s nicht einfacher
Die erhöhte Verletzungsanfälligkeit von Frauen für Kreuzbandrisse hat aber auch anatomische Gründe. Ein breiteres Becken und schmalere Kreuzbänder gehören beispielsweise dazu. Aber auch im Bereich der Bewegungsabläufe bei Sprüngen verhalten sich Frauen anders als Messi, Ronaldo und Co. – und sind auch hierbei einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt. Zu guter Letzt wären da noch hormonelle Gründe: Studien weisen darauf hin, dass das Risiko für einen Kreuzbandriss in der ersten Zyklushälfte höher ist. Wenigsten dieser Umstand scheint inzwischen anerkannt und Mannschaften wie das Schweizer Nationalteam richten ihre Trainingseinheiten inzwischen nach dem Menstruationszyklus aus.
Generell höhere Belastung
Nationale Meisterschaft, Champions League, Länderturniere: Auch im Frauenfussball ist der Kalender mittlerweile rammelvoll und Spiele im 3-Tages-Rhythmus sind mehr Regel als Ausnahme. Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen neben dem Fussball oft einer regulären Arbeit nachgehen was einer zusätzlichen Doppelbelastung gleichkommt. Da hilft es wenig, dass präventive Massnahmen gegen eine Überbelastung immer noch ausschliesslich auf die männlichen Kollegen zugeschnitten sind.
07.03.2023