Schulterblick

Ein oder mehrere Schneesportzentren in der Schweiz – ein Irrweg?

Der Fokus der schweizeigenen Wahrnehmung als Ski-Nation wirkt selbstverständlich. Die Schweiz versteht sich als Alpennation und Winterdestination. Viele kulturelle Verflechtungen und Traditionen stehen mit dem Wintersport, speziell dem Skifahren in Zusammenhang. Dies definiert die Denkweise der breiten Bevölkerung und der Politik. Darüber hinaus stellt der Wintertourismus immer noch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber dar. Entsprechend wurde in die Pisteninfrastruktur investiert wie eine Grafik aus einem Bericht aus 2014 eindrücklich zeigt:

Quelle: SBS 2014 S.24. Eigene Darstellung. Daten für das Jahr 2012 fehlen

In Bezug auf die Zukunft zeigen die Anzahl der Skitage, der der Ski-Fahrer/-innen und die der verfügbaren Pistenkilometer eine abnehmende Tendenz. Diese Tendenz ist aber aktuell noch in einem einstelligen Prozentbereich. Anbei eine Grafik zur Entwicklung der Anzahl Skitagen.

Quelle: SBS 2014 S.8

Die Vision für ein Nationales Schneesportzentrum

In der Schweiz gibt es immer weniger Kinder, die Wintersport betreiben. Auch die Zahl der Skilager ist stark zurückgegangen. Vor knapp 8 Jahren kam das Bundesamt für Sport daher zum Schluss, dass ein Nationales Schneesportzentrum die notwendigen Impulse für die sinkende Nachfrage für Schneesportlager der Schulen geben könnte und initiierte 2012 entsprechend eine Machbarkeitsstudie. Dabei stand zu Beginn Andermatt als Standort im Vordergrund, da hier bereits seit einigen Jahren Ausbildungen im Schneesport und Alpinismus durchgeführt wurden. Dies stiess gleich bei mehreren Kantonen auf Widerstand, wollten sie doch in die Standortevaluation einbezogen werden. In der Folge wurden die Kantone aufgerufen, Projekteingaben für mögliche Standorte zu machen, die der Bund nach einem Kriterienraster bewertete. Im Vordergrund des Nationalen Schneesportzentrums standen drei Zielgruppen: Schulen, Aus- und Weiterbildungskurse und der Leistungssport. Angedacht war ein ganzjähriger Betrieb. Neben den Wintersportarten Skifahren, Snowboard, Skilanglauf, Biathlon und Skitouren standen auch Sportarten wie Lagersport, Trekking, Sportklettern, Bergsteigen, Radsport und Ballsportarten im Vordergrund. Das Zentrum sollte den Schulen ein Paket für ein fünftägiges Schneesportlager zum Preis von 300 bis 350 Franken inkl. Vollpension und Materialnutzung angeboten werden. Das Bewerbungsverfahren fand eine gute Resonanz. Insgesamt wurden zehn Bewerbungsdossiers möglicher Standorte eingereicht, woraus der Standort Lenzerheide am Schluss oben ausschwang.

Das Projekt wurde sistiert und 2019 eine neuer Anlauf gestartet

Das Projekt landet bald nach der Evaluation in der Schublade. Die Gründe waren mehrschichtig, standen doch grosse Investitionen seitens des Bundesamtes für Sport in Magglingen und Tenero an und eine interkantonale oder private Trägerschaft des Zentrums kam nicht zu Stande. Ein grosser Stellenwert nahm auch die Haltung von Swiss Ski und Swiss Olympic ein, die den Mehrwert eines Zentrums für den Leistungssport in Frage stellten und stattdessen den Ausbau der verschiedenen, sportartenspezifischen Anlagen forderten.

Aufgefordert durch ein Postulat des Bündner Ständerat Stefan Engler, dem der Ständerat Ende 2019 zugestimmt hatte, wurde der Bundesrat beauftragt, dem Parlament bis Ende 2020 einen Bericht zu unterbreiten. Aus diesem soll hervorgehen, wie sich – anknüpfend an die sistierte Standortevaluation um ein «Nationales Schneesportzentrum» aus dem Jahr 2014 – drei bis vier dezentrale statt nur ein nationales Schneesportzentrum mit Hilfe des Bundes realisieren liessen. Coronabedingt kommt es zu einer Verzögerung.

In Beine statt Beton investieren

Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass ein Umdenken stattfindet. Mittlerweile nahm die Schneesportinitiative ihre Arbeit auf und unterstützt die Schulen tatkräftig in der Organisation ihrer Schneesportlager. «Beine statt Beton» ist auch die Parole der Schneesportinitiative mit ihrem Geschäftsführer Ole Rauch von «gosnow» und weist auf die Tatsache hin, dass es in der ganzen Schweiz genügend Lagerunterkünfte gibt, die abgesehen vom Monat Februar, über genügend freie Kapazitäten verfügen. Daher steht die Forderung im Vordergrund in Fördermassnahmen zu investieren und Anreize auf allen Ebenen zu schaffen, die dem Breitensport die Impulse geben können und auf eine neue Infrastruktur zu verzichten.

Ein Workshop mit allen Betroffenen wird in diesem Quartal nun durchgeführt, um eine Grundlage für den Bericht an den Bundesrat liefern soll. Das nächste Kapitel in diesem Dossier wird also aufgeschlagen.

BPM Sports unterstützt den Kanton Graubünden in der Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie zum weiteren Vorgehen.

27. Oktober 2020

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