nachgefragt bei Béatrice Wertli

Beatrice, du bist eine Powerfrau und beruflich erfolgreich. Mit dem Women Empowerment Day hast du ein Gefäss geschaffen, dass das Thema: Frau, Business und Sport vereint. Warum braucht die Gesellschaft solche Veranstaltungen?

Nach #helvetiaruft ist der Frauenanteil im nationalen Parlament gestiegen. Das ist super! Damit das Thema «Women empowerment» langfristig auf der Agenda bleibt, braucht es immer wieder Anstösse. Gleichberechtigung, Frauenvertretung, Empowerment: diese Themen müssen in der Politik, Wirtschaft und im Sport immer wieder angegangen werden.
Der Women Empowerment Day soll die Bereiche Politik und Gesellschaft, Wirtschaft und Business und Sport zusammenführen, um über Frauenförderung zu reden.
Wir wollen Bern als Hotspot für Female Empowerment in der Schweiz etablieren.

Beruflich bist du in der Kommunikation, in der Politik und im Sport zu Hause. Hast du in einem der drei Bereiche die Erfahrung gemacht, dass Frauen härter Arbeiten müssen, um ans Ziel zu kommen und erfolgreich zu sein?
Schon immer habe ich im Bereich Kommunikation gearbeitet, sei es in einer Agentur, in der Politik oder im Sport.
Mit Politik habe ich mich schon früh beschäftigt. Ich war als Jungpolitikerin im Jugendparlament tätig, war mehrfach Kandidatin für Nationalratswahlen, war 5 Jahre im Berner Stadtparlament und war als Kommunikationschefin wie auch als Generalsekretärin für die CVP Schweiz tätig.
Im Sport konnte ich sowohl im Breitensport wie auch im Spitzensport Erfahrung sammeln. Ursprünglich vom Schwimmen habe ich den Einstieg in die Jugendnationalmannschaft im Triathlon geschafft und konnte dort einige Erfolge feiern. Später wurde Sport quasi zu meinem Beruf: ich war während einigen Jahren Kommunikationschefin beim BASPO.
Interessant ist, dass die kleinsten Hürden als Frau in der Politik zu nehmen sind. Frauen sind in der Politik gesucht. In der Politik werden die Frauen gefördert und meistens nach dem Motto «von Frauen für Frauen».
Anders ist es in der Wirtschaft. In Verwaltungsräten oder Führungspositionen sitzen vielfach Männer, die über ein grosses Netzwerk verfügen. Innerhalb dieses männerdominierenden Netzwerkes werden Jobs weitervermittelt, was für viele Frauen die Möglichkeit auf solche Position erschwert. Die Situation wird sich hoffentlich ändern, wenn die Frauen ihr Netzwerk ebenso aufbauen und einsetzen können.
Im Sport gilt es die grösste Hürde zu nehmen. Sowohl in Verbänden, Vereinen oder anderen Sportinstitutionen ist der Anteil der Frauen immer noch sehr tief. Im Sport sind immer noch die veralteten Rollenbilder vorhanden, die es den Frauen erschwert gleichberechtigt agieren zu dürfen.
Ein gutes Beispiel dafür kann ich aus persönlicher Erfahrung erzählen. Oft wurde ich gefragt: «Wie machst du das als Mutter zweier Kinder und gleichzeitig in einer Führungsposition tätig zu sein?» Meinem Mann und Vater unserer beiden Kinder wurde diese Frage noch nie gestellt.

Auf Managementebene im Sport gibt es nur wenige Frauen auf Führungspositionen. Wie hast du bisher den Sport erlebt?
Der Frauenanteil ist im Managementbereich im Sport nochmals massiv kleiner. Ich freue mich, dass beispielsweise Florence Schelling als erste Sportchefin des SC Bern in einer sogenannten Männerdomäne die Führung des Sports übernehmen kann. Die Sportwelt feiert und ist stolz auf diesen Schritt in Richtung Gleichstellung. Doch eigentlich ist es doch ein Armutszeugnis, dass wir im Jahr 2020 auf solche Schritte warten und sie dann als Durchbruch feiern müssen. Das sowohl der Eishockey- wie auch der Fussballverband noch nicht soweit sind, mehr Frauen im Managementbereich einzusetzen, ist absolut beschämend.

Dieses Gespräch hat gezeigt, dass Ungleichheiten im Sport nach wie vor gross sind. Was können die Bereiche Politik, Wirtschaft und Sport voneinander lernen?
Der Vektor im Sport sind Role Models, sowohl Männer als auch Frauen. Role Models brechen die Ungleichheit auf, wobei der Sport in diesem Punkt der Wirtschaft voraus ist.
Betrachten wir aber die Entlöhnung, ist der Sport Meilenweit von Gleichstellung von Frau und Mann entfernt. Den Equal-Pay-Day gibt es im Sport definitiv noch nicht und daran muss dringend etwas geändert werden. Es kann nicht sein, dass sowohl Sponsoringbeiträge als auch Preisgelder bei Frauen kleiner ausfallen als bei Männern, obschon in der gleichen Sportart dieselbe Disziplin absolviert wird.

Vielen Dank für das Interview Béatrice!

29. April 2020

zur Person

Béatrice Wertli

Die ehemalige Triathletin Béatrice Wertli ist heute eine erfolgreiche und initiative Geschäftsfrau. Durch ihre berufliche Laufbahn im internationalen NGO-Umfeld, in der Schweizer Politik, Verwaltung, Privatwirtschaft, Kommunikation und Beratung, konnte sie sich einen immensen Erfahrungsschatz aneignen und ist überdies eine leidenschaftliche, kompetente und ausgebildete Rednerin, welche sechs Sprachen beherrscht.