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Die Schweiz geht baden

Fast 1000 verschiedene Bäder stehen der Bevölkerung in der Schweiz zur Verfügung. Im Interview gibt Stefan Studer, Geschäftsleitungsmitglied der auf Bäder spezialisierten Kannewischer Holding AG, Einblicke in die hiesige Badelandschaft.

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Wie hat sich das Baden in der Schweiz entwickelt?

Die Ursprünge des Badens gehen auf die Griechen zurück. Sie waren die Innovatoren; die Römer haben es später professionalisiert. Man kann sagen, wir erlangen erst langsam wieder das Niveau der Badekultur, dass damals geherrscht hat. Die Motive für das Baden – am Anfang neuzeitlicher Bäder war Hygiene ein zentraler Aspekt – haben sich aber mit der Zeit verändert. Darum unterscheiden wir heute verschieden Bädertypen wie auch Besuchsmotive. Zu den Typen gehören Sportbäder, Freizeit- und Erlebnisbäder, Thermen und Heilbäder. Die meisten davon – knapp über 500 – sind Freibäder, gefolgt von ca. 350 Hallen- und 70 Kombibädern. Im internationalen Vergleich kann man sagen, dass der deutschsprachige Raum sehr Bäder-affin ist.

Was lässt sich über die erwähnten Bädertypen sagen?

Zu den ersten neueren Bädern zählten in der Schweiz Sportbäder. Darum gibt es davon auch relativ viele; fast jede grössere Gemeinde hat ein solches Bad gebaut. An Orten mit Thermalwasser haben sich parallel dazu Heilbäder etabliert. Das waren die Vorläufer der heutigen Wellness-Thermen. Ende der 70er Jahre haben dann Erlebnisbäder wie das Alpamare Einzug gehalten. Daraus entstand dann eine Art Mischform – die sogenannten Freizeitbäder. Als aktuellen Trend kann man festhalten, dass es die klassischen Kurbäder praktisch nicht mehr gibt. Entweder sie schliessen oder werden Richtung Wellness/Erholung weiterentwickelt. Bei Sportbädern ist zu beobachten, dass das Angebot vermehrt auch auf Familien ausgerichtet wird. Zudem ist hier der Wunsch nach mehr Grösse – beispielsweise im Sinne zusätzlicher Bahnen in Sportbecken – zu beobachten.

Was lässt sich punkto Finanzierung und Kostendeckung zu den verschiedenen Typen sagen?

Eigentlich sind alle öffentlichen Bäder defizitär. Betrachtet man nur die Betriebskosten und Eintrittserlöse, verfügen die meisten Bäder nur über einen Kostendeckungsgrad von 30-50%. Aufgrund der starken Wetterabhängigkeit sind Freibäder davon am stärksten betroffen. Kombibäder stehen diesbezüglich ein wenig besser da; bei Freizeitbädern besteht gar die Möglichkeit, einen Kostendeckungsgrad von gegen 80% zu erreichen. Entsprechend sind Bäder auf Subventionen angewiesen. Dieses Problem wird sich in Zukunft weiter verschärfen, da sich die Bäder bei stagnierenden oder gar sinkenden Erträgen mit unaufhaltsamen Kostensteigerungen in den Bereichen Energie und Personal konfrontiert sehen – ich nenne das die Defizitschere.

Das klingt nach einem echten Dilemma – besonders wenn man an den vielerorts akuten Sanierungsbedarf denkt. Gibt es hier Lösungen?

Die Lösung beginnt zu einem sehr frühen Zeitpunkt und beinhaltet zwei Aspekte. Zum einen ist eine betriebliche Optimierung notwendig, zum anderen eine Überprüfung oder Anpassung der strategischen Ausrichtung. Dafür ist die Beantwortung von Grundsatzfragen wichtig: Warum betreiben wir dieses Bad? Für welche Gäste? Welchen gesellschaftlichen Nutzen wollen wir erbringen? Aus den Antworten lässt sich dann meistens sehr gut ableiten, ob ein Bad in der bestehenden Form aufrechterhalten werden soll – oder eben nicht. Leider stellen sich nicht alle Betreiber und Eigentümer diesen oftmals kritischen Fragen. In diesem Sinne gibt es nur eine Lösung: Zu Beginn das richtige Konzept umsetzen und danach einen Betrieb sicherstellen, der sich durch ein unternehmerisches Management auszeichnet.

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Zur Person

Stefan Studer (47) ist seit 2004 Berater bei der Kannewischer Holding AG. Mit seinen Konzeptentwicklungen unterstützt er seine Auftraggeber bei der Entscheidungsfindung in Bäderprojekten. Er ist verheiratet, hat 2 Kinder und lebt in Zürich.

Quelle: zVg

Quelle: zVg.

Über Kannewischer

Die Kannewischer Holding AG bietet als Familienunternehmen seit 1972 umfassende Dienstleistungen für die Bäder und Wellnessbranche. Dazu gehört die Planung, die Beratung wie auch der Betrieb. Von diesem Fachwissen haben alleine in der Beratung insgesamt schon mehr als 130 Bäder profitiert; davon über 30 in der Schweiz.